Deutscher Ärztetag 2017: Beschlüsse zur Opioidsubstitution
Beschlussprotokoll des 120. Deutschen Ärztetages in Freiburg vom 23. bis 26.05.2017, Stand: 26.05.2017
Zeitnahe Anpassung der Rahmenbedingungen an die neuen Richtlinien der Bundesärztekammer zur Behandlung Opiodabhängiger
Auf Antrag von Dr. Detlef Lorenzen und Dr. Robin T. Maitra (Drucksache Ib - 69) fasst der 120. Deutsche Ärztetag 2017 folgende Entschließung:
Der 120. Deutsche Ärztetag 2017 begrüßt die Verabschiedung der neuen Richtlinie für die Substitution Opioidabhängiger durch den Vorstand der Bundesärztekammer. Um die Behandlung Opioidabhängiger sicherzustellen, ist es erforderlich, auch auf sozialrechtlicher Ebene die "Richtlinie Methoden vertragsärztlicher Versorgung" (MvV-RL) und die Gebührenordnung anzupassen. Der 120. Deutsche Ärztetag 2017 fordert daher den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) und die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) auf, die Rahmenbedingungen zeitnah anzupassen, um die Substitution opioidabhängiger Patientinnen und Patienten zu verbessern.
Begründung:
Durch die neue Richtlinie ändern sich die Bedingungen der Behandlung der opioidabhängigen Patienten erheblich (Behandlungszeiträume, größere Anzahl der unter konsiliarischer Beratung behandelbarer Patienten). Eine zeitnahe Anpassung der MvV-RL und der Gebührenpositionen ist dringend erforderlich.
Menschenrechte/Medizinische Versorgung in Haftanstalten/Suchtmedizin:
Entschließung
Auf Antrag von Katharina Thiede, Julian Veelken und Dr. Matthias Albrecht (Drucksache Ib - 41) fasst der 120. Deutsche Ärztetag 2017 folgende Entschließung:
Der Vorstand der Bundesärztekammer wird gebeten, bei den Justiz- und Gesundheitsbehörden der Länder Informationen über Zugang zur Qualität und Lücken in der medizinischen Versorgung von Häftlingen in Strafanstalten einzuholen, insbesondere Daten bezüglich der Behandlungsquoten zu den Diagnosen HIV- und HCV-Infektion (antivirale Therapie) sowie Opiatabhängigkeit (Substitution) einzuholen.
Informationen über Reaktionen auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) vom 01.09.2016 (Az. 62303/13) in den Landesärztekammern einzuholen. Die gesammelten Informationen sollen den Landesärztekammern (Beauftragte bzw. Ausschüsse für Menschenrechtsfragen) zur Verfügung gestellt werden. Ziel ist es, durch Information und Dialog eine Verbesserung der Versorgung zu erreichen.
Begründung:
Häftlinge im Strafvollzug sind nicht durch die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) versichert; sie unterliegen der sogenannten freien Heilfürsorge der Bundesländer (wie auch
verschiedene Beamtengruppen und Zeitsoldaten). Der Leistungsanspruch bemisst sich nach dem Äquivalenzprinzip, er ist identisch mit dem gesetzlich Versicherter. In etlichen Untersuchungen, Veröffentlichungen und Einzelberichten gibt es deutliche Hinweise darauf, dass die Vollzugsanstalten diesem Anspruch nicht ausreichend gerecht werden (können).
Das Urteil des EGMR dokumentiert beispielhaft die Situation von Strafhäftlingen, denen oftmals nicht die notwendige medizinische Versorgung zugestanden wird. Einem langjährig opiatabhängigen, HIV- und HCV- positiven Häftling wurde die Weiterbehandlung mit Substitutionsmitteln verweigert. Der EGMR bewertete dies als Verstoß gegen die Menschenrechte, da die Justizvollzugsanstalt (JVA) nicht die bestmögliche Therapie für den Mann ausreichend geprüft habe. Durch die Informationserhebung soll ermittelt werden, ob es regionale Besonderheiten gibt, welche Versorgungsbereiche besonders betroffen sind und ob auch strukturelle Probleme (z. B. unbesetzte Arztstellen, unzureichende Qualifikationen) verantwortlich sind. Es können dann bei den entsprechenden Justizbehörden und einzelnen Justizvollzugsanstalten Anfragen und Gespräche zur Verbesserung der Versorgung eingeleitet werden.