Naloxon-Nasenspray nicht mehr verschreibungspflichtig – Nyxoid®-Nasenspray um ein Drittel teurer
Naloxon-Nasenspray nicht mehr verschreibungspflichtig – Nyxoid®-Nasenspray um ein Drittel teurer
Für das Naloxon-Nasenspray ist künftig keine ärztliche Verordnung mehr erforderlich, berichtete aerzteblatt.de am 26.09.2025. Tags zuvor hatte der Bundesrat die Dreiundzwanzigste Verordnung zur Änderung der Arzneimittelverschreibungsverordnung aus dem Bundesministerium für Gesundheit gebilligt.
Darin heißt es:
“In § 2 wird ein neuer Absatz 2a eingefügt, der es ermöglicht, Arzneimittel mit dem Wirkstoff Naloxon, die zur nasalen Anwendung als Notfalltherapie bei bekannter oder vermuteter Opioid-Überdosierung zugelassen sind, für die Anwendung durch Einrichtungen der Drogen- und Suchthilfe, der Obdachlosenhilfe, des Strafvollzuges, der Zollbehörden, der Bundeswehr, der Ordnungsbehörden und der Bundes- und Landespolizei zu verschreiben. Dadurch wird ein vereinfachter Zugang zu verschreibungspflichtigen Arzneimitteln mit dem Wirkstoff Naloxon zur nasalen Anwendung geschaffen.
(…)
Die folgenden Wirkstoffe bzw. Zubereitungen werden aus der Verschreibungspflicht entlassen:
aa) der Wirkstoff Naloxon zur nasalen Anwendung als Notfalltherapie bei bekannter oder vermuteter Opioid-Überdosierung, es sei denn, es handelt sich um von der Europäischen Kommission als verschreibungspflichtig zugelassene Arzneimittel“.
Und darin liegt der Haken:
Aktuell gibt es auf dem deutschen Markt noch kein Naloxon-Nasenspray, das nicht verschreibungspflichtig ist. Denn das Naloxon-Nasenspray Nyxoid® (Hersteller Mundipharma) bleibt unverändert verschreibungspflichtig, da eine EU-weite Zulassung mit Verschreibungspflicht vorliegt.
Es müsste also noch ein weiteres Naloxon-Nasenspray auf den Markt kommen, berichtete die Pharmazeutische Zeitung (PZ) im März 2025: „In Deutschland über ein dezentralisiertes Verfahren mit Norwegen zugelassen, allerdings nicht auf dem Markt ist Ventizolve 1,26 mg Nasenspray von DNE Pharma aus Norwegen. In Schweden und Frankreich hat es bereits OTC-Status. In Italien und Dänemark gibt es ebenfalls bereits Naloxon-Nasensprays als OTC-Präparate.“
Auf Anfrage von Forum Substitutionspraxis erläutert Professor Norbert Wodarz (Regensburg), Leiter der bayerischen Modellstudie zur Take-Home-Verordnung von Naloxon für Opioidabhängige: „Hoffentlich im Laufe des ersten Quartals 2026 soll Ventizolve auf den Markt kommen, das ja bereits eine deutsche Zulassung hat. Dieses Präparat wäre dann nicht mehr verschreibungspflichtig, also ein OTC-Präparat.“
Damit Naloxon-Nasenspray in den Reihen der Opioidabhängigen, Substituierte wie Nicht-Substituierte, angenommen wird und im Notfall zur Anwendung kommt, bedarf es einer sorgfältigen Aufklärung und Schulung, sind sich die Fachleute einig.
„Apotheken könnten eine wichtige Multiplikatorenfunktion einnehmen, indem sie an passender Stelle Naloxon empfehlen und Informationsmaterial mitgeben, zum Beispiel bei Abholung der Take-Home-Substitute“, führt die Pharmazeutische Zeitung aus: „Auch ein Mitglied des Sachverständigenausschusses betonte, wie wichtig die Anwenderschulungen seien. Laut Protokoll stimmte das BfArM dem zu und führte aus, dass bereits relativ kurz gefasstes, zugelassenes Schulungsmaterial für die Präparate zur Verfügung stehe. Ergänzend merkte das Ministerium an, dass bei einer OTC-Abgabe eine Unterweisung in der Apotheke – wie bei anderen Arzneimitteln auch – stattfinden könne.“
Im Rahmen des von der Deutschen Aidshilfe vorangetriebenen Modellprojekts zur Durchführung deutschlandweiter qualitätsgesicherter Take-Home Naloxon Schulungen: Nationales Early Warning System (NALtrain) wurden bis Ende 2024 mehrere hundert Menschen im Umgang mit Naloxon-Nasenspray ausgebildet. Auf den Seiten von NALtrainstehen Schulungsmaterialien und Trainingsvideos zur Verfügung.
Hintergrund des Projekts war, dass Naloxon-Nasenspray (Nyxoid®) zwar in Deutschland zur Verfügung steht und es zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) verordnet werden kann, bisher aber nur wenige Drogenkonsumierende das Mittel bekommen haben. „Das Projekt hat gezeigt, dass der Weg über die Arztpraxis bei fortgesetzter Skepsis vieler Behandler*innen, dass das Medikament zum risikoreicheren Konsum motivieren könnte, die größte Hürde der breiteren Implementierung in der Praxis war“, berichtete Dirk Schäffer, Referent für Drogen und Strafvollzug bei der Deutschen Aidshilfe, gegenüber der PZ
„Auch die Ergebnisse des bayerischen Modellprojekts, unsere Erfahrungen und internationale Literatur konnten hier keinen Meinungswandel erzielen. Wir hoffen, dass nun auch viele niedrigschwellig arbeitende Drogenprojekte das Medikament aus der Apotheke beziehen werden, um es an Konsument*innen weiterzugeben. Dies war bisher nicht möglich.“
„Bisher wurden in Deutschland nur schätzungsweise 1,3 % der Opioidabhängigen mit THN (Take Home Naloxon, Anm.) ausgestattet. Eine deutliche Ausweitung der Verbreitung und des Einsatzes von THN könnte zu einem Rückgang der opioidbedingten Todesfälle beitragen“, lautet die Schlussfolgerung eines unlängst erschienenen Übersichtsartikels im Deutschen Ärzteblatt (9/25).
Die us-amerikanische FDA-Food and Drug Administration veröffentlichte bereits 2020 Empfehlungen, Naloxon zu verschreiben an Opioidabhängige, Substituierte und an SchmerzpatientInnen mit Opioidverordnungen, gerade auch, wenn durch unbeabsichtigte Einnahme Angehörige und Kinder in Gefahr geraten können.
Schulungsmaterial des Nyxoid-Herstellers Mundipharma für Fachkreise und KonsumentInnen hat auch das BfArM – Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte auf seine Website gestellt:
Für Fachkreise gibt es einen Leitfaden und eine Trainingskarte, für Patienten und Patientinnen eine Informationskarteund ein Video.
Der Ventizolve-Hersteller hat auf der Seite https://ventizolve.com/ ebenfalls Schulungsmaterialien zur Verfügung gestellt, allerdings nicht auf Deutsch, da das Medikament „hier noch nicht erhältlich ist“, heißt es, wenn man auf das Deutschland-Fähnchen klickt.
„Es besteht schon jetzt die Möglichkeit, Ventizolve über eine internationale Apotheke aus anderen EU-Ländern auch ohne Rezept zu bestellen, wo das Präparat bereits auf dem Markt erhältlich ist, z.B. aus Frankreich, allerdings dann zu etwas höheren Kosten“, erläutert Norbert Wodarz.
Der bisherige Monopolist für Naloxon-Nasenspray und Hersteller von Nyxoid, Mundipharma, hat zum 1. August 2025 die Preise für Nyxoid erhöht: Der Apothekenverkaufspreis (AVP) stieg von € 45,62 um mehr als ein Drittel auf € 61,74. Der Apothekeneinkaufspreis beim Großhandel betrug vor dem 01.08.2025 € 28,72 und danach € 41,86.
Und der Hersteller von Ventizolve hat unlängst für 230 Millionen Euro den Besitzer gewechselt.
Der Wettbewerb um den europäischen Markt für nasales Opioid-Antidot nimmt Fahrt auf.
Hans-Günter Meyer-Thompson, Redakteur Forum Substitutionspraxis, 07. Oktober 2025
Quellen:
Forum Substitutionspraxis, Themenseite Naloxon
https://www.forum-substitutionspraxis.de/schadensminderung/naloxon
aerzteblatt.de vom 26.09.2025
Verordnung des Bundesministeriums für Gesundheit - Dreiundzwanzigste Verordnung zur Änderung der Arzneimittelverschreibungsverordnung
Bundesrat Drucksache 354/25, 14.08.25, ISSN 0720-2946
https://www.bundesrat.de/SharedDocs/drucksachen/2025/0301-0400/354-25.pdf?__blob=publicationFile&v=1
https://www.bundesrat.de/SharedDocs/drucksachen/2025/0301-0400/354-25.pdf
Sachverständigenausschuss. Naloxon-Nasenspray soll OTC werden.
Naloxon-Nasenspray kann bei einer Opioid-Überdosierung Leben retten. Zukünftig soll es ohne Rezept erhältlich sein, so die Empfehlung des Sachverständigenausschusses für Verschreibungspflicht. (Pharmazeutische Zeitung, 24.01.2025)
https://www.pta-forum.de/naloxon-nasenspray-soll-otc-werden-152690/
Pharmazeutische Zeitung, 06.03.2025: Dieser OTC-Switch wird Leben retten
https://www.pharmazeutische-zeitung.de/dieser-otc-switch-wird-leben-retten-153656
Take-Home-Naloxon. Heimvorteil bei Opioid-Überdosierung
Naloxon kann bei Opioid-Überdosierungen Leben retten – vorausgesetzt, es ist zur Hand. Das zu ermöglichen, ist das Prinzip von Take-Home-Naloxon. Die Maßnahme ist in Deutschland noch nicht flächendeckend etabliert, die Apothekerschaft könnte sich hier einbringen. (PZ – Pharmazeutische Zeitung, 07.07.2025
https://www.pharmazeutische-zeitung.de/heimvorteil-bei-opioid-ueberdosierung-157179/seite/alle/
FDA. New Recommendations for Naloxone (2020)
To reduce the risk of death from opioid overdose, the U.S. Food and Drug Administration has made the following recommendations about the opioid reversal medicine, naloxone. (US Food and Drug Administration, 23.07.2020)
https://www.fda.gov/drugs/drug-safety-and-availability/new-recommendations-naloxone
Nyxoid Packungsbeilage:
Ventrizole Packungsbeilage:
Deutsche Aidshilfe, NALtrain: Schulungsmaterial und Trainingsvideos:
https://www.naloxontraining.de/
BfArM: Leitfaden für Fachpersonal: https://www.bfarm.de/SharedDocs/Downloads/DE/Arzneimittel/Pharmakovigilanz/Risikoinformationen/EducationMaterial/Anlagen/m-r/naloxon-nyxoid-aerzte.pdf?__blob=publicationFile
BfArM: Trainingskarte für Fachpersonal: https://www.bfarm.de/SharedDocs/Downloads/DE/Arzneimittel/Pharmakovigilanz/Risikoinformationen/EducationMaterial/Anlagen/m-r/naloxon-nyxoid-aerzte2.pdf?__blob=publicationFile
BfArM: Informationskarte für PatienInnen: https://www.bfarm.de/SharedDocs/Downloads/DE/Arzneimittel/Pharmakovigilanz/Risikoinformationen/EducationMaterial/Anlagen/m-r/naloxon-nyxoid-patienten.pdf?__blob=publicationFile
BfArM: Video für PatientInnen: https://multimedia.gsb.bund.de/BfArM/edumat/pat-muny-0004-0002-180827-v1.mp4
Ventizolve, Educational Material (dne pharma, Norwegen, 2025)
Navamedic ASA schließt Übernahme des Geschäftsbetriebs von dne pharma ab
Navamedic ASA (OB: NAVA) hat am 23. Juni 2025 eine Vereinbarung zur Übernahme des Geschäftsbetriebs von dne pharma as für rund 230 Millionen NOK getroffen. Der Kaufpreis wird in Raten gezahlt: 185 Millionen NOK werden bei Abschluss der Transaktion fällig, die verbleibenden 40 Millionen NOK werden in zwei Tranchen gezahlt, sofern bestimmte vereinbarte Absatzvolumina für die erworbenen Produkte erreicht werden. (MarketScreener, 15.07.2025)
Take-Home-Naloxon für Opioidabhängige - Hintergrund des Modellprojekts
Bayerisches Ärzteblatt, 19.01.2022
THN Bayern - Evaluation eines Schulungsprogramms für medizinische Laien zum Einsatz von nasalem Take-Home-Naloxon in Notfallsituationen bei Menschen mit Opioidabhängigkeit in Bayern (BayTHN)
Heike Wodarz-von Essen1, Oliver Pogarell2, Jörg Wolstein3, Norbert Wodarz1
Unter engagierter Mitwirkung der MitarbeiterInnen der Kooperationszentren Drogenhilfe Schwaben GmbH, Augsburg; Condrobs e.V, Ingolstadt, München; mudra e.V., Nürnberg; DrugStop e.V., Regensburg
Bayerisches Staatsministerium für Gesundheit und Pflege, August 2021
Take-Home-Naloxon bei Opioidabhängigkeit
Eine Intervention zur Reduktion von opioidbedingten Todesfällen - Take-home naloxone in opioid dependency: An intervention to reduce opioid-related deaths
Dtsch Arztebl Int 2025; 122: 240-4; DOI: 10.3238/arztebl.m2025.0030
Fleißner, Simon; Stöver, Heino; Schäffer, Dirk; Wodarz-von Essen, Heike; Deimel, Daniel; Wodarz, Norbert
https://www.aerzteblatt.de/archiv/take-home-naloxon-bei-opioidabhaengigkeit
Konzeption, Umsetzung und Evaluation eines Wissenschaftlichen Modellprojekts zur Durchführung deutschlandweiter qualitätsgesicherter Take-Home Naloxon Schulungen: Nationales Early Warning System (NALtrain)
Konzeption, Umsetzung und Evaluation eines Wissenschaftlichen Modellprojekts zur Durchführung deutschlandweiter qualitätsgesicherter Take-Home Naloxon Schulungen: Nationales Early Warning System (NALtrain)
Heino Johann Stöver, Dirk Schäffer, Christine Kluge Haberkorn (akzept e.V. Geschäftsführung), Maria Kuban
Research Gate, Aug 2025, DOI: 10.13140/RG.2.2.11704.00003
https://www.researchgate.net/publication/394840568
WHO. Community management of opioid overdose.
1.Opioid-Related Disorders – prevention and control. 2.Drug Overdose – prevention and control. 3.Naloxone – therapeutic use. 4.Community Health Services. 5.Guideline.
ISBN 978 92 4 154881 6 (NLM classification: WM 284)
© World Health Organization 2014
https://iris.who.int/server/api/core/bitstreams/66b902c1-77e3-4971-adaf-71551b3995b9/content
EUDA. Preventing opioid overdose deaths with take-home naloxone
Introduction
This publication examines the case for distributing naloxone, an emergency medication, to people who inject opioids such as heroin and to others who might witness an opioid overdose. Through its capacity to reverse opioid overdose, naloxone can save lives if administered in time. This comprehensive review looks at opioid overdose and how naloxone counteracts it, and discusses the circumstances of opioid overdose deaths and the use of naloxone in regular clinical practice. (EMCDDA/EUDA, Lissabon, 18.01.2026)
https://www.euda.europa.eu/publications/insights/take-home-naloxone_en