RKI Mitteilung zu Infektionskranheiten - 25.07.2025
RKI Mitteilung zu Infektionskranheiten - 25.07.2025
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen in Einrichtungen der Suchtmedizin, der Drogen- und Wohnungslosenhilfe,
wir möchten Sie über verschiedene Krankheitsausbrüche informieren, die das RKI derzeit untersucht bzw. über die das RKI informiert wurde. Alle Ausbrüche betreffen vornehmlich Menschen in vulnerablen Situationen (z. B. Menschen, die Drogen gebrauchen oder Menschen, die von Obdachlosigkeit betroffen sind). Wir nutzen für die Verbreitung dieser Informationen, alle uns zur Verfügung stehenden Kanäle zu Einrichtungen und Verbänden.
Haemophilus influenzae Typ b (Hib)-Ausbruch im Raum Hamburg:
Seit Ende 2024 wird in Hamburg ein gehäuftes Auftreten von invasiven Infektionen mit Haemophilus influenzae-Bakterien des Kapseltyps b (Hib) unter Erwachsenen beobachtet. Betroffen sind hauptsächlich Personen, die Drogen gebrauchen und Personen ohne festen Wohnsitz. Die bisherigen Informationen legen nahe, dass sich alle Betroffenen bei einem Aufenthalt in Hamburg angesteckt haben.
Die Erkrankung zeigt sich häufig in Form einer Lungenentzündung (Pneumonie) und/oder Blutvergiftung (Sepsis), in manchen Fällen auch in Form einer Hirnhautentzündung (Meningitis). Die Übertragung erfolgt durch das Einatmen erregerhaltiger Tröpfchen sowie durch Kontakt mit infektiösen Atemwegssekreten. Betroffen sind bislang 15 Personen, von denen drei an der Erkrankung verstorben sind (Informationen zum Hib-Ausbruchsgeschehen).
Nach aktueller Einschätzung scheinen Wohnungslosigkeit und Drogengebrauch in diesem Ausbruch Faktoren zu sein, die eine Ansteckung mit Hib und eine invasive Hib-Erkrankung begünstigen. Insbesondere der Gebrauch von inhalativen Drogen wird als ein Risikofaktor für eine invasive Hib-Erkrankung vermutet. Es ist ebenfalls vorstellbar, dass chronische Vorerkrankungen, Rauchen oder auch Mangelernährung zu einer Immunschwäche beitragen, die eine invasive Hib-Erkrankung begünstigt.
Bitte achten Sie auf folgende Punkte:
- Um Hib-Infektionen zu vermeiden, sollten Zigaretten, Rauchzubehör, Drogenkonsumutensilien und Essensbesteck nicht geteilt werden (siehe Infoblatt).
- Fieber, Nacken- oder Kopfschmerzen, Erbrechen und schweres Krankheitsgefühl können auf eine invasive Hib-Erkrankung hinweisen. Bei Verdacht auf eine Hib-Erkrankung sollte eine sofortige Abklärung im Krankenhaus erfolgen. Eine rasche gezielte antibiotische Therapie ist entscheidend.
- Risikogruppen sollten niedrigschwellige Informationen zur Häufung von Hib-Erkrankungen im Raum Hamburg, den Schutzmaßnahmen und dem empfohlenen Verhalten bei einer Erkrankung zur Verfügung gestellt werden. Hierfür steht ein Informationsblatt zur Verfügung (s. Infoblatt).
- Nach engem Kontakt oder Teilen von Rauchzubehör u.ä. besteht ein Infektionsrisiko.
- Medizinisches Personal z.B. aus dem Gesundheitsamt kann zu Prophylaxemöglichkeiten wie Antibiotika oder Impfung beraten.
Weitere Informationen:
- Information zum aktuellen Hib-Ausbruchsgeschehen, vom RKI empfohlene Maßnahmen sowie weiterführende Verweise: Epidemiologisches Bulletin 27/2025
Bundesweiter Ausbruch von Diphtherie:
Seit 2022 wird ein gehäuftes Auftreten von Diphtherie mit dem Erreger Corynebacterium diphtheriae vom Sequenztyp ST-574in Deutschland beobachtet. Sie zeigt sich meist als Haut- bzw. Wunddiphtherie oder als Atemwegsdiphtherie. Die ersten Fälle in diesem Ausbruch traten bei geflüchteten Menschen 2022 und 2023 auf, meist als Haut/Wunddiphtherie.
Bis zum 3. Juli 2025 wurden 125 laborbestätigte und 4 weitere Verdachtsfälle übermittelt, darunter sind drei Personen, die an einer schweren Form, der respiratorischen Diphtherie, verstorben sind. Mindestens 11 der betroffenen Personen waren zum Zeitpunkt der Meldung von Wohnungslosigkeit betroffen – jeweils fünf Fälle in Berlin und Frankfurt am Main sowie eine Person in Wiesbaden. Vier weitere hatten engen Kontakt im Frankfurter Bahnhofsviertel, waren selbst aber nicht von Wohnungslosigkeit betroffen. Auch bei zwei der vier neuen Verdachtsfällen aus diesem Jahr handelt es sich wahrscheinlich wohnungslose Personen.
Alle bisher betroffenen Personen in Wohnungslosigkeit hatten Hautdiphtherie und es gab in dieser Personengruppe bisher keine Todesfälle. Bei Hautdiphtherie sind Todesfälle sehr selten.
Wie sieht Hautdiphtherie aus?
- Eine Hautdiphtherie zeigt sich typischerweise durch schlecht heilende, schmierig belegte, manchmal wie „ausgestanzt“ aussehende Wunden mit verdicktem Rand. Prinzipiell können auch untypisch aussehende WundenC. diphtheriae enthalten. Ein Bild einer Hautdiphtherie findet sich z.B. hier im Deutschen Ärzteblatt.
Wie wird der Erreger für Hautdiphtherie und für respiratorische Diphtherie übertragen?
- Hautdiphtherie: C. diphtheriae wird durch direkten Hautkontakt oder indirekt über verunreinigte Oberflächen oder Materialien (z. B. Kleidung, Bettzeug); der zoonotische Erreger C. ulcerans wird insbesondere von Haustieren wie Hunden und Katzen auf Menschen übertragen und kann prinzipiell dann auch direkt oder indirekt von Mensch zu Mensch übertragen werden.
- respiratorische Diphtherie: durch Tröpfchen, z. B. beim Husten. Diese Form ist besonders gefährlich und kann tödlich verlaufen, vor allem bei Ungeimpften.
Was ist zu tun bei Verdacht auf Haut/Wunddiphtherie?
- Wenn Hautwunden auffallen, die der o.g. Beschreibung ähneln, sollte immer ein Wundabstrich angestrebt werden, bevor eine antibiotische Therapie begonnen wird. Zusätzlich sollte ein tiefer Rachenabstrich genommen werden, um eine mögliche Atemwegsbeteiligung zu erkennen.
- Bei Verdacht auf Wund-/Hautdiphtherie sollte das Labor hierauf hingewiesen werden. Die Untersuchung eines C. diphtheriae-Isolats im Sinne einer weiterführenden Diagnostik ist kostenlos am Konsiliarlabor für Diphtheriemöglich (PCR-Test auf das Diphtherie-Toxin-Gen (tox), Elek-Test auf das Diphtherie-Toxin, ggf. molekulare Typisierung). Eine bestehende Krankenversicherung ist hierfür nicht notwendig.
Wie kann man sich vor Diphtherie schützen?
- Diphtherie gehört zu den impfpräventablen Erkrankungen. Laut STIKO-Empfehlung besteht die Grundimmunisierung aus 3 Impfstoffdosen im Alter von 2, 4 und 11 Monaten, wobei möglichst ein Kombinationsimpfstoff wie der Sechsfach-Impfstoff DTaP-IPV-Hib-HepB verwendet werden sollte und zwischen letzter und vorletzter Impfstoffdosis mindestens 6 Monate Abstand liegen sollten. Auffrischimpfungen sind empfohlen einmal im Alter von 5 bis 6 Jahren, einmal im Alter von 9 bis 16 Jahren und danach alle 10 Jahre.
- Für alle Erwachsenen mit fehlender oder unvollständiger Grundimmunisierung oder wenn die letzte Impfung der Grundimmunisierung oder letzte Auffrischimpfung länger als 10 Jahre zurückliegt, sollten die Grundimmunisierung beginnen oder beenden bzw. die Auffrischimpfung nachholen.
- Für Personen mit engem (face-to-face) Kontakt zu Erkrankten und einer letzten Impfung gegen Diphtherie vor mehr als fünf Jahren, sollten eine postexpositionelle Impfung erhalten.
Weitere Informationen:
- RKI-Ratgeber Diphtherie (auch mit Infos zu Infektionsschutzmaßnahmen):
- Diphtherie Info-Broschüre (verfügbar auf Arabisch, Deutsch, Englisch, Farsi, Paschtu und Ukrainisch):https://www.diphtherie-mehrsprachig.de/
- Handreichung Diphtherie für Ärzteschaft und medizinisches Fachpersonal:https://www.lgl.bayern.de/downloads/gesundheit/praevention/doc/handreichung_diphtherie_aerzteschaft_fachpersonal.pdf
- Risikoeinschätzung des Ausbruchsgeschehens ST-574 vom Europäischen Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) mit Fokus auf vulnerable Gruppen:
https://www.ecdc.europa.eu/en/publications-data/diphtheria-caused-corynebacterium-diphtheriae-st574-eueea-2025
- Infektionsschutz im Kontext Wohnungslosigkeit (derzeit in Aktualisierung mit neuem Kapitel zur Diphtherie):https://www.rki.de/DE/Themen/Gesundheit-und-Gesellschaft/Gesundheitliche-Einflussfaktoren-A-Z/F/Flucht-Gesundheit/Flucht_inhalt.html
Hepatitis-A-Ausbruchsgeschehen unter Menschen in Wohnungslosigkeit, Menschen die Drogen gebrauchen und Roma-Communities in verschiedenen osteuropäischen Staaten und Österreich:
Im Rahmen eines Krankheitsausbruches unter Menschen in Wohnungslosigkeit, Menschen die Drogen gebrauchen und Roma-Communities in verschiedenen osteuropäischen Staaten und Österreich werden zurzeit erhöhte Fallzahlen von Hepatitis A beobachtet (Risikoeinschätzung des Europäischen Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) zum Ausbruchsgeschehen). Auch in den USA wurden in den letzten Jahren Hepatitis-A-Ausbrüche unter Personen ohne festen Wohnsitz beobachtet. Die Erkrankung überträgt sich über Schmierinfektionen direkt von Mensch zu Mensch oder über kontaminierte Gegenstände (z.B. Nahrungsmittel).
In Deutschland wurden bisher nur wenige Einzelfälle mit genetischem Bezug zu dem Ausbruchsgeschehen verzeichnet.
Wir bitten jedoch um erhöhte Aufmerksamkeit bezüglich Symptomen von Hepatitis (z.B. Schlappheit, Oberbauchbeschwerden, Gelbsucht) und bei Auffälligkeiten um eine zeitnahe Kontaktaufnahme mit ÄrztInnen und Ihrem zuständigen Gesundheitsamt.
Gegen Hepatitis A gibt es einen wirksamen Impfstoff, der bei zeitiger Gabe nach dem Kontakt mit dem Virus eine Erkrankung noch effektiv verhindern kann. Für Personen mit Kontakt zu an Hepatitis-A Erkrankten, die bisher nicht gegen Hepatitis A geschützt sind (entweder durch eine Hepatitis-A-Impfung oder eine durchgemachte Infektion), wird eine postexpositionelle Hepatitis-A-Impfung so früh wie möglich innerhalb von 14 Tagen nach Kontakt empfohlen.
Weitere Informationen:
- Risikoeinschätzung des Europäischen Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) zum aktuellen länderübergreifenden Ausbruchsgeschehens von Hepatitis A in der EU/EWR :https://www.ecdc.europa.eu/en/publications-data/rapid-risk-assessment-multi-country-outbreak-hepatitis-eueea
- Kapitel zu Hepatitis A im Dokument „Infektionsschutz im Kontext Wohnungslosigkeit“:https://www.rki.de/DE/Themen/Gesundheit-und-Gesellschaft/Gesundheitliche-Einflussfaktoren-A-Z/F/Flucht-Gesundheit/Hinweise_Infektionsschutz_Wohnungslosigkeit.pdf?__blob=publicationFile&v=6
- STIKO-Empfehlungen: https://www.rki.de/DE/Themen/Infektionskrankheiten/Impfen/Staendige-Impfkommission/Empfehlungen-der-STIKO/Empfehlungen/empfehlungen-node.html
- RKI-Ratgeber Hepatitis A: https://www.rki.de/DE/Aktuelles/Publikationen/RKI-Ratgeber/Ratgeber/Ratgeber_HepatitisA.html
Wir bitten diese Information ggf. in entsprechenden Netzwerken weiter zu streuen. Wenn Sie Informationen dieser Art nicht von uns erhalten wollen, bitten wir um Rückmeldung an
Bei Fragen können Sie sich gerne an
Mit freundlichen Grüßen
Im Auftrag
Ruth Zimmermann
Dr. Ruth Zimmermann MPH
Teamleitung Hepatitis-Team
Fachgebiet HIV/AIDS und andere sexuell oder durch Blut übertragene Infektionen
Robert Koch Institut
Seestraße 10
13353 Berlin
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